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Lieferengpässe: Kassenaufsicht will Aufzahlung streichen

Das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) hat Mehrkosten für Versicherte bei Arzneimitteln offen kritisiert: In einem Brief an alle Krankenkassen sowie das Bundesgesundheitsministerium (BMG), die Aufsichtsbehörden der Länder und den GKV-Spitzenverband macht die Behörde ihrem Ärger Luft. Darüber berichtet der Branchendienst „Apotheke Adhoc“

Laut BAS kommt es bei der Abgabe von Arzneimitteln in der Apotheke vor, dass aufgrund von Lieferschwierigkeiten das verordnete Arzneimittel zum Festbetrag nicht zur Verfügung steht. „Dies führt teilweise zu Problemen, wenn dann die Abgabe eines Arzneimittels über dem Festbetrag erfolgt und der Versicherte mit den Mehrkosten belastet wird.“ Zwar wurde vor zwei Jahren mit

dem Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) eine Ausnahme im Zusammenhang mit Rabattarzneimitteln eingeführt: So sind die Festbeträge nicht zu berücksichtigen, wenn die Versorgung nur mit einem Arzneimittel oberhalb des Festbetrages möglich ist.

Doch das reicht aus Sicht des BAS nicht aus: „Eine gleichartige Situation kann sich jedoch auch ergeben, wenn notwendige festbetragsgeregelte Arzneimittel, für die keine Rabattvereinbarung besteht, nicht verfügbar sind. Nach uns vorliegenden Hinweisen aus der Praxis berufen sich dann die Krankenkassen zum Teil auf das Wirtschaftlichkeitsgebot und sehen ihre Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten mit dem Festbetrag als erfüllt an.“

Laut BAS wird damit der Sachleistungsanspruch des Versicherten nach § 2 Sozialgesetzbuch (SGB V) verletzt: „Die Abgabe des Arzneimittels über dem Festbetrag erfolgt hier nicht etwa auf Wunsch des Versicherten, sondern nur wegen der Lieferschwierigkeiten. Diese liegen nicht im Verantwortungsbereich des Versicherten.“

Schutz des Patienten

Eine solche Einschränkung des Sachleistungsprinzips mit der Folge eines direkten Schuldverhältnisses zwischen Versicherten und Apotheker in Höhe der Mehrkosten sei gesetzlich nicht geregelt, so das BAS. Für die Behörde ist die Sache aber klar: „Das Sachleistungsprinzip verfolgt insbesondere den Schutzzweck, eine erforderliche Vorleistung des Patienten und ein Risiko der Kostenerstattung eben gerade auszuschließen.“ Anders als bei einem „Wunscharzneimittel“, das wegen der Überschreitung des Festbetrages grundsätzlich aus der Versorgung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei, verlasse der Versicherte das Vertragsleistungssystem ausdrücklich nicht, wenn er wegen Lieferengpässen ein über dem Festbetrag liegendes Arzneimittel erhält.

„In diesem Zusammenhang möchten wir ausdrücklich festhalten, dass für die Versicherten, falls sie dennoch in der vorgenannten Fallkonstellation in der Apotheke mit Mehrkosten belastet werden, die Möglichkeit besteht, sich nachträglich im Wege der Kostenerstattung an ihre Krankenkasse zu wenden. Da kein Fall der Versorgung mit einem vom Versicherten begehrten ‚Wunscharzneimittel‘ vorliegt, hat der Versicherte entstehende Mehrkosten nicht zu tragen.“

Die Festbeträge bewirken laut Kassenaufsicht keine Leistungsbegrenzung, soweit sie für die erforderliche Versorgung nicht ausreichen. „In diesen Fällen bleibt es bei der Verpflichtung der Krankenkasse, von Zuzahlungen abgesehen, zur kostenfreien Versorgung der Versicherten. Die Festbetragsregelungen entheben die Krankenkassen nicht ihrer Pflicht, im Rahmen der Sachleistungsverantwortung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V für die ausreichende Versorgung der Versicherten Sorge zu tragen.“

Festbetrag greift nicht

Wenn also – unter Berücksichtigung der Regelungen des Rahmenvertrages – eine ausreichende Versorgung zum Festbetrag nicht möglich sei, weil aufgrund von Lieferengpässen nur mit einem Arzneimittel über dem Festbetrag versorgt werden könne, muss nach Auffassung des BAS zwangsläufig auf dieses andere Arzneimittel zurückgegriffen werden. „Die Leistungsbeschränkung auf den Festbetrag greift dann nicht.“

Im Klartext: „Sofern der Versicherte in der Apotheke bei der vorgenannten Fallkonstellation mit Mehrkosten belastet wird, handelt es sich um ein Systemversagen. Die Versorgung des Versicherten kann in der Apotheke nicht mehr umgehend als Sachleistung sichergestellt werden. Es ist deshalb erforderlich, entsprechende Vereinbarungen zu treffen, um ein derartiges Systemversagen zu verhindern.“

Einen konkreten Vorschlag liefert das BAS direkt mit: „Wir halten eine Regelung im Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V für sinnvoll, die in derartigen Fällen Mehrkosten zu Lasten des Versicherten ausschließt.“ Analog zur Regelung bei Rabattarzneimitteln könnte eine Ergänzung erfolgen, um eine einheitliche und rechtskonforme Vorgehensweise der Krankenkassen und Leistungserbringer zu erreichen. „Das BAS würde es daher begrüßen, wenn Sie sich bei oder in den maßgeblichen Gremien bzw. Stellen dafür einsetzten.“

Quelle: Apotheke Adhoc