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Pneumokokken-Infektionen: Die Prävention könnte schnell besser werden

Impfungen gegen COVID-19-Infektionen nehmen zur Zeit die überragende Rolle ein, wenn es um sinnvolle Präventionsmaßnahmen geht. Dabei hat sich auch in der Entwicklung anderer Impfstoffe in letzter Zeit einiges bewegt. Beispielsweise zum Schutz vor Pneumokokken-Infektionen. Hier ein aktueller Überblick:

Pneumokokken sind eine sehr große Gruppe von Bakterien, die besonders bei Kindern und Erwachsenen jenseits des 60. Lebensjahres Lungenentzündungen, aber auch Blutvergiftungen, Hirnhautentzündungen und Mittelohrinfektionen hervorrufen können. Zum Schutz vor Pneumokokken-Infektionen gibt es bisher zwei Impfstofftypen. Einen Polysaccharid-Impfstoff, der Antigene von 23 verschiedenen Serotypen (Pneumovax®) enthält und nur für die Impfung von Kindern ab dem 2. Lebensjahr und Erwachsenen zugelassen ist und die Konjugat-Impfstoffe, deren Antigene chemisch an ein Protein gebunden sind und wegen ihrer stärkeren Immunantwort auch für die Impfung von Säuglingen und Kleinkindern geeignet sind.

Ein Produkt enthält 10 Serotypen (Synflorix®, Zulassung bis 5 Jahre), ein zweites (Prevenar 13®) ist mit 13 verschiedenen Serotypen auch für die Impfung von Erwachsenen zugelassen. Höhervalente Konjugat-Impfstoffe werden seit Jahren intensiv erforscht, da der 23-valente Polysaccharid-Impfstoff für Kinder nicht geeignet ist und bei Erwachsenen, insbesondere bei nicht-invasiven Infektionen wie der Pneumonie, nur unzureichend wirksam ist. Dies wurde zuletzt in einer umfangreichen Studie in den USA im Unterschied zum 13-valenten Konjugat-Impfstoff klar dokumentiert (Joseph A Lewnard et al., Clin Infect Dis 2021, Dec,30).

Am 14. Oktober 2021 hat die Europäische Zulassungsbehörde wie vorher schon die FDA den 15-valenten Konjugat-Impfstoff Vaxneuvance® zur Zulassung empfohlen. Diese wurde von der Europäischen Kommission am 14. Dezember ausgesprochen. Am 16. Dezember 2021 wurde auch der 20-valente Konjugat-Impfstoff Apexxnar® zur Prävention invasiver Pneumokokken-Infektionen und Lungenentzündungen bei Erwachsenen positiv bewertet und zur Zulassung durch die Europäische Kommission empfohlen.  Die Entscheidung der Kommission erfolgt in der Regel innerhalb von zwei Monaten. Die SARS-CoV2-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Impfungen für die Vermeidung von Erkrankungen sind, zumal wenn schwere Verläufe und Todesfälle möglich sind. Das gilt für virale Infektionen wie Influenza und COVID-19, aber auch für den wichtigsten bakteriellen Atemwegserreger, die Pneumokokken. Es ist zu erwarten, dass die STIKO die neuen Daten prüfen und dann die Empfehlung zur Pneumokokkenimpfung überarbeiten wird, zumal in einer kürzlich publizierten Beobachtungsstudie gezeigt wurde, dass der 13-valente Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff den Verlauf von COVID-19 bei älteren erwachsenen Patienten beeinflussen kann (Joseph A Lewnard et al., The Journal of Infectious Diseases, 2021, Mar, 09).

 Der 20-valente Konjugat-Impfstoff beinhaltet sieben weitere Serotypen zusätzlich zu den 13, die bereits in Prevenar 13® verfügbar waren. Damit wird die bereits für Prevenar 13® bewiesene klinische Effektivität sowohl gegen invasive als auch nicht-invasive Infektionen weiter steigen.

Wie bei den SARSCoV2 Impfstoffen erstmals gezeigt, kann nach Zulassung eines Impfstoffs durch die Europäische Kommission eine frühzeitige Prüfung und Erweiterung der Empfehlung zur Pneumokokkenimpfung durch die STIKO der Bevölkerung schnell einen verbesserten Impfschutz ermöglichen.

Von Prof. Dr. Tobias Welte (Direktor der Klinik für Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover)

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