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Impfung gegen Pneumokokken in Zeiten der Pandemie – der übersehene Skandal

Während sich fast das gesamte Gesundheitssystem, insbesondere aber die gesundheitspolitischen Entscheider auf die Corona-Pandemie konzentrieren, wird die wichtige Impfung gegen Pneumokokken aus nicht nachvollziehbaren Gründen vernachlässigt. Dabei könnte, wie wissenschaftliche Studien belegen, gerade diese Impfung auch einen Booster-Effekt bringen. Auf jeden Fall setzt die Pnemokokken-Impfung das Risiko einer Infektionskrankheit erheblich herab.

Eine Impfung gegen Pneumokokken schützt Kinder und Erwachsene vor invasiven Erkrankungen und Pneumonien. Es sind drei Präparate zugelassen. Zwei Konjugat-impfstoffe die gegen Infektionen mit 10 bzw. 13 Serotypen schützen und ein Polysaccharid-Impfstoff der Antigene von 23 Serotypen enthält. Die beiden Konjugat-impfstoffe sind sehr wirksam und daher für die Impfung von Säuglingen und Kleinkindern zugelassen und empfohlen. In dieser Altersgruppe ist der 23-valente Impfstoff nicht wirksam und daher auch nicht zugelassen. Erwachsene können mit dem 13- oder dem 23-valenten Impfstoff geimpft werden. Die Präparate sind aber nicht gleichwertig: der Polysaccharid-Impfstoff kann nicht problemlos mehrfach gegeben werden, die mehrfache Impfung hat keine Verstärkung der Immunantwort (Booster Effekt) zur Folge. Daher empfiehlt die STIKO bei der Impfung von Risikopatienten eine konsekutive Impfung mit dem 13-valenten Konjugat-Impfstoff gefolgt vom dem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff. Es gibt überzeugende klinische Daten, die die überlegene Wirksamkeit dieses Vorgehens zeigen. Seit mehr als 1,5 Jahren ist der 23-valente Impfstoff nicht zuverlässig lieferbar und war über Monate auch zu Beginn der Pandemie nicht lieferbar. Die STIKO, das RKI und auch das Paul-Ehrlich-Institut haben in der Zeit, zu der die allgemeine Empfehlung lautete, möglichst frühzeitig gegen Influenza aber auch Pneumokokken zu impfen, lieber geraten auf die Impfung gegen Pneumokokken ganz zu verzichten als die älteren Erwachsenen mit dem ausreichend verfügbaren 13-valenten Präparat zu impfen.

Obwohl medizinisch-wissenschaftlich nicht nachvollziehbar, war und ist diese Empfehlung bindend. In Deutschland wurde also absichtlich den älteren Menschen die das höchste COVID-19 Infektions- und Sterblichkeitsrisko trägt eine Impfung vorenthalten. Das traurige Ergebnis ist bekannt: 2/3 aller Fälle, d.h. mehr als 50.000 Tote entfallen allein auf die Gruppe der über 80-jährigen. 

Jetzt ist die Publikation einer Beobachtungsstudie erschienen, die aufrütteln sollte., die das Risiko dieser Infektionskrankheit erheblich herabsetzt.      

Eine kürzlich publizierte Beobachtungsstudie zeigt, dass ein 13-valenter Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff den Verlauf von COVID-19 bei älteren erwachsenen Patienten beeinflussen kann (https://academic.oup.com/jid/advance-article/doi/10.1093/infdis/jiab128/6164926). Untersucht wurden elektronische Gesundheitsakten von 531.033 Mitgliedern einer Versicherung in Südkalifornien, die 65 Jahre und älter waren, in der Zeit vom 1. März bis zum 22. Juli 2020. Die Forscher fanden heraus, dass Erwachsene über 65, mit PCV13 geimpft waren im Vergleich zu Erwachsenen, die den Impfstoff nicht erhalten hatten, eine um 35 % niedrigere Inzidenz von COVID-19-Diagnosen, eine um 32 % niedrigere Inzidenz von COVID-19-Krankenhausaufenthalten und eine um 32 % niedrigere Inzidenz von COVID-19-Todesfällen aufwiesen. Während Patienten, die PCV13 erhielten, einen gewissen Schutz gegen COVID-19 hatten, war dies bei denen, die mit PPSV23 geimpft waren, nicht der Fall.

Wechselwirkungen zwischen Pneumokokken und respiratorischen Viren und daher Wirksamkeit von PCV gegen virusassoziierte Pneumonien sind sowohl bei Kindern als auch bei älteren Erwachsenen berichtet worden. Die Autoren haben zwar versucht Störfaktoren wie der Zugang zum Impfstoff und die Einhaltung der sozialen Distanzierung bei der Auswertung zu minimieren, dennoch handelt es sich um eine explorative Untersuchung. Die Ergebnisse stützen dennoch die Hypothese, dass Interaktionen mit Pneumokokken in den oberen Atemwegen zur Pathogenese von SARS-CoV-2 beitragen.

Daher ist es unverständlich warum die STIKO der Bevölkerung das Impfschema 13-valenter Pneumokokken Impfstoff gefolgt von dem 23-valenten Polysaccharid Impfstoff, das Schema das sie für Risikopatienten seit Jahren empfiehlt einfach vorenthält.