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Umfrage:Fachkräftemangel in Arzt- und Psychotherapiepraxen immer größer

Erhöhte Ausbildungsaktivität und monetäre Anreize können Personalschwund nicht mehr auffangen – „Vergütungsschere zwischen Kliniken und Praxen muss geschlossen werden“

Die Suche nach qualifizierten nicht-ärztlichen Mitarbeitenden in den 102.000 Arzt- und Psychotherapiepraxen sowie die Bindung geeigneten Personals stellt die Praxisinhaberinnen und -inhaber in Deutschland vor immer größere Herausforderungen. So wird die Verfügbarkeit von kompetentem nicht-ärztlichem Personal auf dem Arbeitsmarkt von den Praxen mehrheitlich als äußerst schlecht eingestuft. Deutlich mehr als die Hälfte der vertragsärztlichen Praxen bilden daher eigenen, nicht-ärztlichen Fachkräftenachwuchs aus. Etwa ein Viertel dieser Praxen sind allerdings von Abwanderung ihres selbst ausgebildeten Praxispersonals betroffen. Aufgrund von Personalmangel hatten bereits rund 15 Prozent der Praxen ihr Leistungsangebot zeitweise eingeschränkt. Um ihre Fachkräfte zu binden, haben knapp drei Viertel der vertragsärztlichen Praxen ihrem angestellten Personal Sonderzahlungen und Zuschläge gewährt. Dafür haben die Praxisinhaberinnen und -inhaber durchschnittlich jeweils 4.400 Euro pro Jahr aufgewendet. Während der Corona-Pandemie sind zudem von über zwei Dritteln der Vertragsarztpraxen steuerfreie „Corona-Sonderzahlungen“ in Höhe von durchschnittlich 856 Euro je nicht-ärztlichem Mitarbeitenden pro Praxis ausbezahlt worden.

Das sind die zentralen Ergebnisse einer Sonderbefragung im Rahmen des Zi-Praxis-Panels (ZiPP) zur „Personalsituation in Praxen der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung“ für die Jahre 2019/2020, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) heute veröffentlicht hat. Danach erwarten über zwei Drittel der Vertragsarztpraxen auch für die kommenden Jahre 2021/2022 substanzielle Probleme, geeignetes Personal auf dem Arbeitsmarkt zu finden. „Immer häufiger machen Krankenhäuser das Rennen um die gut ausgebildeten nicht-medizinischen Fachkräfte. Das wundert nicht, denn seit Jahren steigt der so genannte Orientierungswert und damit der Preis pro Leistung für Krankenhäuser stärker als der für Vertragsarztpraxen. Zwischen 2016 und 2020 ist dieser für Krankenhäuser um 15,02 Prozent gestiegen, für Vertragsarztpraxen lediglich um 6,96 Prozent“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.

Für das Jahr 2021 habe sich dies unvermindert fortgesetzt, so von Stillfried weiter: „Für Kliniken beträgt der Anstieg 2,6 Prozent, für Kassenarztpraxen lediglich 1,25 Prozent. Die Preise für stationäre Leistungen werden dann seit 2016 um 18,63 Prozent, die für vertragsärztliche Leistungen nur um 8,30 Prozent gestiegen sein. Somit ist es kein Wunder, dass es Krankenhäusern leichter fällt, höhere Tarifgehälter etwa für Medizinische Fachangestellte zu zahlen. Deshalb darf sich die Politik nicht nur um die Personalknappheit in den Kliniken kümmern, sondern muss jetzt endlich dazu beitragen, Abwanderung aus den Praxen zu stoppen. Wird nicht zugunsten der Vertragsarztpraxen nachgesteuert und die Vergütungsschere zwischen Klinik und Praxis geschlossen, drohen auch für Patientinnen und Patienten spürbare Engpässe in den Praxen, die jährlich mehr als 90 Prozent der gesetzlich Versicherten behandeln.“

Die Umfrage fand im ersten Halbjahr 2021 per Online-Fragebogen im Rahmen der jährlichen ZiPP-Erhebung statt. Von den gut 53.000 angeschriebenen Praxen haben fast 5.300 Praxisinhaberinnen und -inhaber Angaben zur Sonderbefragung „Personalsituation in Praxen der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung“ gemacht. Damit beteiligten sich etwa 9,8 Prozent der angeschriebenen Praxen, die auf Basis einer Stichprobe aus der Grundgesamtheit ausgewählt wurden. Während die Stichprobe 100 Prozent aller Facharztpraxen umfasst, wurden 40 Prozent der hausärztlichen Praxen und 30 Prozent der Praxen der ärztlichen und psychologischen Psychotherapie ausgewählt. Um eine möglichst repräsentative Stichprobe zu erhalten, sind hausärztliche und psychotherapeutische Praxen zufällig unter Berücksichtigung der Bevölkerungsdichte des jeweiligen Praxisstandortes ausgewählt worden.