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EU einigt sich zum Vorgehen bei Nutzenbewertung für neue Gesundheitstechnologien

Das Europaparlament, der Europäische Rat und die EU-Kommission haben sich in den frühen Morgenstunden auf einen Gesetzgebungsvorschlag für die gemeinsame Nutzenbewertung neuer Gesundheitstechnologien auf Europaebene verständigt. Das bestätigte der SPD-Europaabgeordnete und Parlamentsberichterstatter für das Thema, Tiemo Wölken, auf Anfrage von Gesundheitsmagazins G+G.

Mit der informellen Einigung endet ein jahrelanger Streit um die EU-Kompetenzen beim „Health-Technology-Assessment“ (HTA). Viele Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, hatten sich gegen eine von der EU-Kommission ursprünglich vorgeschlagene verbindliche Übernahme der Bewertungsergebnisse einer HTA-Arbeitsgruppe auf EU-Ebene gewehrt.

Der Kompromiss sieht im Kern vor, dass die von den EU-Mitgliedstaaten benannten Mitglieder einer HTA-Koordinierungsgruppe die Studien-Dossiers der Industrie bewerten und eine Empfehlung aussprechen. Die Schlussfolgerungen aus der klinischen Bewertung sollen dann die Länder selbst ziehen. Dem Parlament sei es jedoch gelungen, strengere Regeln durchzusetzen und dafür zu sorgen, „dass gemeinsame Bewertungen nicht ignoriert werden können“, sagte Wölken. Gerade mit Blick auf die Pandemie werde es immer wichtiger, „dass wir als Union unser Fachwissen und unsere Ressourcen bündeln, um qualitativ hochwertige gemeinsame Bewertungen zu gewährleisten und gleichzeitig zu einem schnellen Zugang zu innovativen Gesundheitstechnologien beizutragen“.

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, Peter Liese, begrüßte die Einigung. Besonders mit Blick auf neue Krebsmedikamente sei es „sehr wichtig, dass wir in ganz Europa nach einheitlichen Kriterien den Nutzen von Arzneimitteln und Medizinprodukten bewerten“. Die neue HTA-Koordinierungsgruppe soll sich nach Inkrafttreten der entsprechenden EU-Verordnung zunächst mit der klinischen Nutzenbewertung von Krebsmedikamenten befassen. Nach drei Jahren sollen dann Medikamente zur Behandlung seltener Krankheiten hinzukommen und nach zwei weiteren Jahren auch alle anderen neuen Arzneimittel und Medizinprodukte einbezogen werden.

Laut EU-Kommission haben die Mitgliedstaaten 2020 mehr als 1,33 Billionen Euro für Gesundheit ausgegeben. Neue Medikamente oder Medizinprodukte gehören zu den größten Ausgabenblöcken. Damit Innovationen bezahlbar bleiben, setzen die meisten Länder nach der Zulassung neuer Produkte durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) auf eine Nutzenbewertung im Vergleich zu bereits vorhandenen Methoden und Therapien. HTA ist daher eine wesentliche Voraussetzung für den Marktzugang und die Preisfindung.